Klima- und Ressourcen-Kollaps – eine Einführung

Über die Überschreitung der planetaren Grenzen und die globale Klima-, Energie- und Rohstoff-Krise.

Lesezeit: 25 Minuten

Mit dieser Einführung möchte ich nicht in erster Linie Fakten liefern. Wir haben keinen Mangel an Fakten. Die wesentlichen Dinge sind seit fünfzig Jahren bekannt und werden seit einigen Jahren sehr intensiv öffentlich diskutiert. Es ist im Gegenteil eher so, dass es mittlerweile so viele Informationen über die ökologische Krise gibt in der wir uns befinden, dass es immer schwerer wird, den Überblick zu behalten und die Zusammenhänge zu erkennen. Zudem ist die Lage sehr komplex, denn das Ökosystem ist das komplexeste dynamische Gebilde, dass auf dieser Welt existiert. Alles ist mit allem verbunden und eine Änderung an einer Stelle kann unvorhersehbare Konsequenzen an einer anderen haben. Man nennt das ein „nichtlineares System“ das auch als „Schmetterlingseffekt“ bekannt ist:

„ein Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien kann einen Tornado in Texas auslösen.“

Ich möchte im Folgenden versuchen, einen ersten Überblick zu schaffen und die Dinge im Zusammenhang zu betrachten.

Beginnen wir mit der:

Klimakatastrophe

Die Klimakatastrophe – oder verharmlosend „Klimawandel“ genannt – ist in gewisser Weise unser kleinstes Problem. Sie ist aber sehr einfach zu verstehen und verhältnismäßig einfach zu prognostizieren, weil die dahinter stehende Physik sehr gut verstanden ist.

Das, was heute passiert ist seit über 40 Jahren genau so vorhergesagt worden und bekannt. Es ist also keine Überraschung, es ist bisher nur erfolgreich verdrängt worden.

Die Atmosphäre bildet seit dem Menschen auf diesem Planeten leben, ein stabiles System: Tiere, Menschen und andere natürliche Prozesse – wie z.B. das Verbrennen von Holz und die Verrottung von Biomasse – erzeugen CO2, Pflanzen und Meere binden CO2 und erzeugen durch Photosynthese Sauerstoff. Die notwendige Energie dazu liefert die Sonne.

Seit dem Beginn der industriellen Kohleförderung und der Erfindung der Dampfmaschine, haben wir angefangen in fossilien Rohstoffen gespeicherte Sonnenenergie von Jahrmillionen innerhalb von zwei Jahrhunderten freizusetzen. Dadurch ist der natürliche Kreislauf in einer Geschwindigkeit aus dem Gleichgewicht gebracht worden, wie nie zuvor (abgesehen von großen Vulkanausbrüchen und Meteoriteneinschlägen). Der CO2-Gehalt der Atmosphäre steigt rasant an und erhöht den Treibhauseffekt. Der Treibhauseffekt ist eigentlich erwünscht. Er sorgt für stabile Temperaturen auf der Erde. Wenn aber der CO2-Gehalt in der Atmosphäre steigt, steigen auch die Temperaturen. Das erleben wir in unserer Generation und das ist nun auch unser Problem. Wenn wir den Blick etwas weiten und die Zeitskala bis zur Geburt Jesu zurück gehen, sieht es eher wie eine Explosion, als wie ein Anstieg aus:

Die atmosphärische Konzentration von Kohlendioxid vom Beginn der Zeitrechnung bis zum Jahre 2015.
Die atmosphärische Konzentration von Kohlendioxid vom Beginn der Zeitrechnung bis zum Jahre 2015. (Quelle: wiki.bildungsserver.de/klimawandel/)

Bisher sind die CO2-Emissionen jedes Jahr gestiegen. Also nicht in Summe, sondern jedes Jahr ist mehr CO2 hinzugefügt worden, wie im Jahr davor.

Quelle: statista.com
Quelle: https://de.statista.com/infografik/6870/weltweite-co2-emissionen-bis-2035/

Die Hälfte alles jemals von Menschen emittierten CO2 ist in den letzten 30 Jahren ausgestoßen worden! Also in einer Zeit, in der das Problem bereits vollständig verstanden war und noch Zeit gewesen wäre, zu handeln.

Was sagt uns die „Durchschnittstemperatur“?

Wir sprechen immer von einem Anstieg der Durchschnittstemperatur auf der Erde (derzeit bereits etwa 1,2 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit). So sind auch die Diagramme im Regelfall aufgebaut.

Man hört ständig, die Weltgemeinschaft wolle nun die Erderwärmung auf 1,5 Grad bis zum Jahr 2100 begrenzen, wobei schon diese Zahl irreführend ist.

Es geht um Wahrscheinlichkeiten und um „deutlich unter 2 Grad“. So ist zur Zeit das offizielle Ziel unserer Regierung. Darauf haben wir uns völkerrechtlich bindet verpflichtet. Derzeit plant sie mit 1,75 Grad bei einer Wahrscheinlichkeit von 67%. Aber was sagt das konkret aus? Würdet Ihr Euch in ein Flugzeug setzen, das mit einer Wahrscheinlichkeit von 33% abstürzt?

Außerdem ist das die globale weltweite Durchschnittstemperatur. Über Land erwärmt sich die Erde viel stärker als über dem Meer. In Städten ist es noch einmal wärmer als in der Natur. Im Norden mehr als am Äquator. Wir sind in Deutschland jetzt schon bei 1,9 Grad im aktuellen Jahrzehnt, die letzten Jahre schon knapp über 2 Grad. Nördlich des Polarkreises sind es bereits bis zu 5 Grad. Man geht davon aus, dass in Hamburg 2050 ein Klima herrschen wird, wie heute in Pamplona in Nordspanien. (Das ist nicht mehr abwendbar, da das CO2, das das bedingt, heute schon emittiert ist. Das Klimasystem hat eine gewisse Trägheit.)

Klingt ja eigentlich gar nicht so schlimm. In Pamplona leben die Leute heute doch auch ganz zufrieden, oder? Nur, dass unsere Häuser, unsere Infrastruktur, die Vegetation und unsere Lebensweise nicht wie in Pamplona ist und sich auch nicht so schnell anpassen lässt. In Südeuropa sind die Fenster beispielsweise nicht nach Süden ausgerichtet. Es wird sich also sicherlich nicht so anfühlen, wie heute in Pamplona zu leben. Was wird mit unseren Parks passieren, mit den vielen Straßenbäumen, mit dem Obstbäumen im Alten Land, den Feldern in den Vier- und Marschlanden…? Außerdem ist das ja nur eine Momentaufnahme. Wenige Jahrzehnte später werden die Temperaturen weiter gestiegen sein und der Versuch, sich anzupassen ist schon wieder obsolet.

So ein Sommer, wie wir ihn in diesem Jahr hatten, wird dann eher die positive Ausnahme sein (also eher kühl). Wir werden Kälteräume einrichten müssen und Altenheime müssen dauerhaft klimatisiert werden. Wer es sich leisten kann, wird eine Klimaanlage kaufen und mit dem zusätzlichen Energieverbrauch zusätzlich den Klimawandel anheizen und die Energiekosten für unsere ärmeren Mitbürger weiter in die Höhe treiben.

Achja: Der Meeresspiegel steigt ja auch noch. Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit für extreme Sturmfluten. Und lange Phasen von Trockenheit, abgelöst von extremen Regenfällen werden häufiger, es gibt immer mehr Dürren, schlimme Überschwemmungen, Tornados, …

Und was ist mit den Menschen in Pamplona? Die haben 2050 ein Klima wie vielleicht in Marrakesch in Marokko. Und was ist mit den Menschen in Marrakesch …? Und was bedeutet das für die weltweite Lebensmittelproduktion?

Im Jahr 2050 wird es nur noch zwei Arten von Ländern geben: Länder, aus denen man aus klimatischen Gründen fliehen muss und Länder, die diese Flüchtlinge aufnehmen.

Vermutlich werden wir in Deutschland zunächst zur zweiten Gruppe gehören. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis Menschen in Süddeutschland wegen Dürre und Bergstürzen und an der Küste wegen des steigenden Meeresspiegels und schlimmen Sturmfluten nicht mehr leben können. Es wird zudem eine steigende Zahl von innereuropäischen Klimaflüchtlingen geben, denn in Spanien, Italien und Griechenland werden sich immer mehr Menschen aufgrund von Hitze, Dürre, Wassermangel und der Unmöglichkeit noch seinen Lebensunterhalt zu verdienen, in Richtung Norden aufmachen müssen.

Das war jetzt das „optimistische“ Szenario, das bereits heute klar ist. Das entspricht den Zielen, auf die sich die Weltgemeinschaft beim Pariser Klimaabkommen geeinigt hat, die aber leider nicht umgesetzt werden.
Wir müssen daher davon ausgehen, dass es noch schlimmer wird.

Kipppunkte

Dazu müssen wir noch mal kurz die angestrebte Begrenzung von 1,5 oder 2 Grad genauer anschauen: Woher kommt eigentlich dieser Wert? Das liegt daran, dass unser Klimasystem Kipppunkte hat, die so ähnlich funktionieren, wie wenn man eine Tasse ganz langsam über die Tischkante schiebt: Eine ganze Zeit passiert gar nichts und dann plötzlich fällt die Tasse herunter. Und was jetzt geschehen ist, ist nicht mehr reversibel. Ich kann den verschütteten Kaffee nicht mehr dadurch in die Tasse zurück bekommen, in dem ich sie ein paar Millimeter wieder auf der Tischkannte zurück schiebe. Es gibt gar keine Tischkante mehr. Die Tasse ist jetzt ganz wo anders.

Diese Kipppunkte hat man beim Klimasystem bisher identifiziert. Es wird aber sicher noch weitere geben, die wir bisher noch nicht kennen:

Darstellung der Kippelemente nach Hans Joachim Schellnhuber in einer Weltkarte mit Angabe der Bevölkerungsdichte.
Darstellung der Kippelemente nach Hans Joachim Schellnhuber in einer Weltkarte mit Angabe der Bevölkerungsdichte. Mit Fragezeichen versehene Elemente stellen deren Status als noch nicht wissenschaftlich gesichert dar. Quelle: Wikipedia)

Es ist nicht genau klar, wann die Systeme kippen werden. Man versucht das mit Wahrscheinlichkeiten zu berechnen und hält dann die Wahrscheinlichkeit, einen gewissen globalen Temperaturanstieg noch verhindern zu können, dagegen. Das ist eine sehr sehr unsichere Basis. Hier regiert also schon das Prinzip Hoffnung und die Ziele des Pariser Klimaabkommens und Zahlen wie 1,5 Grad suggerieren da falsche Gewissheiten.

Wenn Kipppunkte überschritten worden sind, werden selbstverstärkende Prozesse angestoßen, die nicht mehr zurück genommen werden können. Dann ist es u.U. egal, ob wir überhaupt noch CO2 ausstoßen oder nicht. Die Temperatur wird von alleine weiter steigen und auch der Meeresspiegel. Und es werden weitere Kipppunkte ausgelöst, die den Prozess weiter beschleunigen. Es ist im Bereich des Möglichen, dass die globale Durchschnittstemperatur bereits bis Ende des Jahrhunderts um 4 Grad und mehr ansteigt, was für Deutschland dann 8 bis 10 Grad wären. Große Bereiche der Erde - vor allem um den Äquator herum - wären dann nicht mehr bewohnbar. Menschen die nicht fliehen können, werden sicher sterben. Das erledigen Hitzewellen mit über 50 Grad über mehrere Tage und Wochen. Dann ist einfach fast alles menschliche Leben in der Region ausgelöscht und das vieler Tiere. Schlagartig. Millionen von Menschen - alle, die sich nicht in klimatisierte Räume zurückziehen können. Landwirtschaft wird in diesen Regionen unmöglich. Die Menschen, die nicht an der Hitze sterben, verhungern.

Zur Erinnerung: In Indien hat es in diesem Jahr bereits eine Hitzewelle gegeben, die schon in diese Richtung zeigt. Selbst wenn wir die Erderwärmung bei unter 2 Grad stoppen könnten, werden Millionen von Menschen an der Hitze sterben – z.B. in Indien, wo fast ein Fünftel der Weltbevölkerung lebt. Dazu kommen Dürren, Hungersnöte und Überschwemmungen in unvorstellbaren Ausmaßen. Wenn wir die Erderwärmung nicht stoppen können, werden eher Milliarden von Menschen, davon betroffen sein, die nur die Wahl haben, zu fliehen oder zu sterben. Oftmals haben sie diese Wahl gar nicht.

Das alles sind die kurzfristigen Folgen, die noch für unser eigenes Leben, bzw. das unserer Kinder und Enkel eine Rolle spielen werden. Wenn mehrere Kipppunkte überschritten werden, dann ist es unklar, ob die Menschheit und der größte Teil unseres Ökosystems überhaupt überleben kann. Optimistische Szenarien wären dann das Aussterben von weit über 90% der Menschheit. Das Eis an den Polen würde komplett abschmelzen und zu einem Meeresspiegelanstieg von über 60 Metern führen. Es wird zwar ein paar tausend Jahre dauern, bis das Eis komplett geschmolzen ist, es würde aber auf unabsehbare Zeit (also Jahrzehntausende oder Jahrhundertausende) so bleiben.

Würden die Menschen, die in Zukunft vielleicht noch unter diesen sehr sehr unfreundlichen, widrigen Bedingungen auf der Erde leben, mit Respekt und Dankbarkeit auf uns blicken, auf diese kurze Phase der Menschheitsgeschichte, die alles kaputt gemacht hat?

Deshalb gibt es die „Klimaziele“. Und deshalb zählt jedes Zehntel Grad.

Grünes Wachstum - warum alle immer noch so entspannt sind

Unsere rasante wirtschaftliche Entwicklung ist analog zur Förderung fossiler Energie gelaufen. Nur die Fossile Energie hat eine so hohe Energiedichte, um den beispiellosen weltweiten Wohlstand zu ermöglichen. Unser globales kapitalistisches Weltwirtschaftssystem benötigt Wachstum und gigantische Mengen an billiger Energie. Und so wird auch tatsächlich in jedem Jahr mehr fossilie Energie gefördert und verbrannt, als im Jahr davor - und damit mehr CO2 emittiert. Es gibt eine ganz direkte Korrelation zwischen der weltweiten Wirtschaftsleistung und der Verbrennung fossiler Rohstoffe.

Wir müssten aber ab sofort jedes Jahr weniger CO2 emittieren als im Jahr davor. Die Frage, wie viel weniger das sein muss oder sollte, wird verschieden beantwortet, aber etwas in der Größenordnung von 7-10% sollten es schon sein. Das soll durch Effizienzsteigerungen geschehen und vor allem durch den Umstieg auf emissionsfreie Technologien, in erster Linie Wind- und Sonnenenergie. Um unsere Weltwirtschaft am Laufen zu halten, benötigen wir weiterhin eine steigende Menge an Energie – nur eben jetzt aus erneuerbaren Quellen. Darauf allein ruhen alle Hoffnungen.

Weltenergieverbrauch aufgeteilt in fossile und nicht-fossile Energieträger
Weltenergieverbrauch aufgeteilt in fossile und nicht-fossile Energieträger, basierend auf Daten aus BP 2018 Statistical Review of World Energy 2018. Quelle: ourfiniteworld.com

Es gibt Dinge, die theoretisch verhältnismäßig einfach umgestellt werden können. Nämlich die Stromproduktion, weil Windkraft und Photovoltaik direkt und ohne Umweg Strom erzeugen. Der Strom ist aber mit derzeit weltweit 20% nur ein kleinerer Teil unseres Energiebedarfs. Etwa ein Drittel davon wird sowieso schon aus erneuerbaren Energien erzeugt, wobei etwa die Hälfte aus Wasserkraft stammt (überwiegend Staudämme). Das ist alte bewährte und verhältnismäßig preiswerte Technologie, die nicht mehr wesentlich weiter ausgebaut werden kann. Solar- und Windenergie, auf der jetzt alle Hoffnung ruht, liefert heute gerade einmal 6% der weltweit insgesamt benötigten Energie. Und wegen des notwendigen Wirtschaftswachstums benötigen wir in ca. 25 Jahren bereits das Doppelte!

Mobilität

Für die Mobilität könnten wir Elektroautos bauen. Aber das betrifft nur die private Mobilität. Wirtschaftlich sind wir abhängig von LKWs, Land- und Baumaschienen, Schiffen und Flugzeugen. Übrigens auch für die Produktion und Wartung von Solar- und Windanlagen. Die dafür benötigten Rohstoffe werden zu hundert Prozent mit fossiler Technologie gefördert und verarbeitet und z.B. auch die Offshore-Windkraftanlagen werden mithilfe von Schiffen und Hubschraubern gewartet, die fossile Energie benötigen. Dass das alles jemals elektrifiziert werden könnte, ist eine vage Hoffnung. Zumindest gibt es dafür keinerlei konkrete Pläne. Und: neue Technologien benötigen Jahrzehnte, oftmals 50 bis 70 Jahre, bis sie sich großflächig durchgesetzt haben. Diese Zeit haben wir aber nicht mehr.

Landwirtschaft

Die Landwirtschaft ist ein sehr großer Emittent von CO2 und Methan. Methan ist übrigens 25 Mal so klimaschädlich wie CO2 und spielt eine zunehmende Rolle bei der Klimaerwärmung. Deshalb ist Erdgas – was nichts anderes als Methangas ist – auch keine klimaschonendere Alternative für Kohle. Bei der Förderung und dem Transport entweicht unweigerlich Methangas. Man geht davon aus, dass über den gesamten Prozess gesehen, die Verwendung von Erdgas mindestens genau so klimaschädlich ist, wie Kohle. Die Tierhaltung und die Übernutzung von Böden liefert einen weiteren großen Beitrag zur Klimaerwärmung.

Außerdem basiert unsere gesamte Landwirtschaft auf Kunstdünger und Pestiziden, die aus fossilier Energie gewonnen werden. Die landwirtschaftlichen Maschinen, die mit Diesel laufen hatte ich ja schon erwähnt. In der industriellen Landwirtschaft werden 1,6 Kalorien fossile Energie aufgewendet, um eine Kalorie Lebensmittel zu produzieren. Für Transport, Verarbeitung, Verpackung, Verkauf, Aufbewahrung und Zubereitung kommen noch einmal mehr als 6 Kalorien hinzu. Das sind dann fast 8 Kalorien Erdöl und Gas für eine Kalorie Lebensmittel. Wir essen buchstäblich Öl und Gas. In der traditionellen, nicht-industriellen Landwirtschaft wurden dagegen mindestens 10 Kalorien pro aufgewandter Kalorie erwirtschaftet! Eine landwirtschaftliche Produktionsweise, die keinen Netto-Energiegewinn liefert, kann nicht nachhaltig sein.

Es gibt ein paar halbherzige Pläne, die Landwirtschaft klimafreundlicher zu gestalten, aber das reicht nicht mal im Ansatz, um die selbst gesetzten Klimaziele zu erreichen.

Die Landwirtschaft ist übrigens der einzige Sektor, bei dem eine Umstellung weg von der Emission von CO2 hin zu CO2-Senken (also das CO2 aus der Luft dauerhaft im Boden gespeichert wird) problemlos möglich wäre. Das ist Jahrtausende lang so praktiziert worden und unser Wissen ist heute sogar noch größer. Der notwendige Wandel würde aber bedeuten, komplett auf ökologische Landwirtschaft umzusteigen, wesentlich weniger Tiere zum Verzehr zu halten, kleinräumiger zu wirtschaften (keine Monokulturen, eher Permakultur) und viel weniger Maschinen einzusetzen. Es müssten in der Landwirtschaft wieder mehr Menschen und auch Arbeitstiere eingesetzt werden. Sie müsste konsequent regional und saisonal sein. Und wir müssten weniger Lebensmittel wegschmeißen. Auf dem Weg vom Feld zum Teller gehen etwa die Hälfte der Lebensmittel verloren.

Energiespeicher

Alles soll und muss für die Grüne Energiewende also elektrifiziert werden. Wind- und Sonnenenergie schwankt aber über den Tag sehr stark. Nachts scheint keine Sonne. Zum Glück wird da weniger Strom verbraucht. Aber was ist, wenn auch kein Wind weht? Am gefürchtesten sind sogenannte kalte Dunkelflauten tagsüber im Winter. Also ein bedeckter Himmel und trotzdem kein Wind. Wir brauchen dafür Energiespeicher in einem unvorstellbaren Ausmaß: Batterien oder Wasserstoff. Abgesehen davon, dass es kaum möglich sein wird, die dafür notwendigen Rohstoffe in der kurzen Zeit zu fördern und zu verbauen, sinkt damit der (im Vergleich zu fossiler Energie) eh’ schon schlechte Wirkungsgrad weiter.

Wir bräuchten dann zwei bis drei Mal so viel Energie. Und in 25 Jahren (wir erinnern uns: Wirtschaftswachstum!) also vier bis sechs Mal so viel Energie wie heute.

„Erneuerbare“ Energie wird daher in der Realität knapp und teuer bleiben und niemals den ökonomisch notwendigen Überschuss erwirtschaften können, um Wirtschaftswachstum weiter zu ermöglichen. Dass zur Zeit Wind- und Solarenergie billiger ist, als fossile Energie, liegt auch daran, dass die gesamte Ermöglichung dieser Energieform weiterhin fossil ist: Rohstoffgewinnung, Produktion, Installation, Wartung, Entsorgung und auch der Ausgleich der Schwankungen, der nur mit Gaskraftwerken aufgefangen werden kann, läuft nach wie vor mit fossiler Energie. Und der größte Teil der heute installierten Solarzellen wird mit Kohlestrom in China gefertigt. Wenn das alles wegfallen würde, würde diese neue Energieform sehr knapp und sehr teuer.

CO2-Schulden

Notwendig wäre also ein Umbau aller materiellen Bedingungen unsere Wirtschaft in einem nie dagewesenen Ausmaß. Das bedeutet, dass vorhandene Infrastruktur oftmals „weggeschmissen“, bestenfalls ergänzt und erweitert werden muss. Alles, was jetzt neu gebaut werden muss – z.B. neue Heizungen, bessere Dämmung, Elektroautos, Windkraftanlagen, Solarpanele und die Fabriken dafür, bauen erst mal CO2-Schulden auf. Es wird zusätzliche fossile Energie benötigt, um sie herzustellen. Die Einsparung gegenüber herkömmlicher fossiler Technologie liegt in der Zukunft. Manchmal erst in Jahrzehnten. Der Umbau der Wirtschaft wird also zunächst die CO2-Emission anfeuern und auch das Wirtschaftswachstum. Das ist der Hauptgrund, warum sich alle darin einig sind, dass wir diesen Weg jetzt gehen müssen. Es ist gut für die Wirtschaft, deren Wachstumsmöglichkeiten in letzter Zeit an ein Ende gekommen waren. Ein neuer nahezu grenzenloser Markt wird erschlossen. Alles muss neu und umgebaut werden!

CO2-Abscheidung

Bei allen geschilderten Szenarien um Klimaneutralität zu erlangen, wird von vorneherein angenommen, dass wir es niemals schaffen werden, kein CO2 mehr zu emittieren. Stattdessen hofft man auf Technologien, die CO2 nachträglich wieder aus der Atmosphäre entfernen. Das passiert ja in der Natur über natürliche Prozesse ständig und auch wir könnten uns die Natur zu nutze machen, in dem wir eine grundsätzlich andere Form der Landwirtschaft betreiben, als bisher. Eine Landwirtschaft, die Boden neu aufbaut, statt ihn zu degenerieren. Das ist aber nicht der Plan. Man rechnet mit großtechnischen Lösungen, die CO2 nachträglich aus der Atmosphäre oder Abgasen abscheiden und unterirdisch endlagern. Man nennt es “Carbon Capture and Storage” (kurz CCS). Es gibt bereits Prototypen, die aber einen geringen Wirkungsgrad haben. Sie sind weit davon entfernt praktisch eingesetzt zu werden und man würde unvorstellbar viele solcher Maschinen benötigen. Und diese Geräte brauchen gigantische Mengen an Energie. Woher soll die kommen? Naja: aus Solar- und Windenergie, die ja theoretisch unendlich zur Verfügung steht. Oder vielleicht doch nicht? Erinnern wir uns noch einmal kurz zurück: in 25 Jahren benötigen wir mindestens vier bis sechs Mal so viel Energie wie heute, die komplett mit Wind- und Solarenergie erzeugt werden muss. Derzeit erzeugen wir nur 6% der benötigten Energie mit Wind und Solar. Wir müssen die Energieproduktion aus erneuerbarer Energie also in 25 Jahren grob verhundertfachen. Und dazu kommt noch die Energie für Carbon Capture and Storage.

Wunderglauben in Politik und Gesellschaft

Es herrscht überall das Prinzip Hoffnung und der Glaube an ein Wunder, das unsere Ingenieure (hoffentlich) vollbringen werden. Es ist klar, dass wir das mit den heute verfügbaren Mitteln niemals schaffen werden. Aber wer weiß? Vielleicht kommt ja bald jemand auf die rettende Idee!? Dieser kindliche Wunderglaube ist offizielle Politik der Industrieländer. Es gibt keine Zukunftsszenariern, die auf der Grundlage heute verfügbaren Technologien und Rohstoffe durchgerechnet worden sind. Die kann es auch gar nicht geben, weil Physik und die Grenzen unseres Planeten dagegen stehen. Diese ernüchtenden Fakten, die - wie gesagt eigentlich schon seit 50 Jahren bekannt sind- möchte man den Wählern aber lieber nicht zumuten.

Es wird stattdessen ein Zukunftszenario entworfen, dass darin besteht, dass wir heute so weiter leben können wie bisher. Von den zukünftigen Generationen erwarten wir, dass sie das dann mit noch zu erfindenden Wundermaschinen reparieren. Und selbst wenn es tatsächlich technisch möglich wäre – was wie gesagt ziemlich unwahrscheinlich ist – dann ist es doch einigermaßen unverschämt, die immensen Kosten, die damit verbunden wären, zukünftigen Generationen aufzubürden, zumal sie gar keine Wahl haben, bzw. nicht gefragt werden.

Kein Wunder, dass die jungen Menschen zunehmend auf die Straße gehen und mit immer drastischeren Mitteln versuchen, sich Gehör zu verschaffen.

Der gesamte Green Deal ist also eine kurzfristige Maßnahme, die Wirtschaft weiter am Laufen zu halten und unser auf Wachstum basierendes Wirtschaftssystem bestenfalls noch ein paar Jahrzehnte weiter am Leben zu halten. Er wird aber weder den Klimakollaps aufhalten, noch umwälzende wirtschaftliche Verwerfungen verhindern.

Erinnert Ihr Euch daran, dass ich eingangs gesagt habe, die Kilmakatastrophe ist noch unser geringstes Problem? Ich komme jetzt zu den …

Planetaren Grenzen

Der Bericht an den Club of Rome hat 1972 Grenzen des Wachstums beschrieben und vor der Überschreitung gewarnt. Die Szenarien, die berechnet worden sind, haben sich weitgehend als zutreffend erwiesen. Es wurde davor gewarnt, dass spätestens in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts – also nach 2050 – unsere Zivilisation kollabieren wird, wenn unsere Wirtschaft ungebremst weiter wächst.

Eine aktuelle Grafik zeigt, in welchen Bereichen wir bereits die Grenzen überschritten haben.

Planetare Belastungsgrenzen
Von Felix Joerg Mueller - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=115417347

Wir sehen, dass z.B. der Zustand der Biosphäre – und insbesondere das Artensterben – bereits viel weiter fortgeschritten ist, als die Klimakrise. Experten sprechen auch vom „sechsten Massenaussterben in der Geschichte des Lebens auf der Erde“. Das Letzte ereignete sich vor rund 66 Millionen Jahren, als ein kilometergroßer Asteriod auf der Erde einschlug. Wir sind aber auf eine intakte Flora und Fauna angewiesen. Mit jeder Art, die stirbt, verlieren wir unrückholbar etwas von unserer eigenen Lebensgrundlage.

Aus Sicht der Planetaren Grenzen, wäre ein weiteres Wachstum des Energieverbrauchs durch billige erneuerbare Energie eine Katastrophe. Wenn das Wirtschaftswachstum tatsächlich noch einige Jahrzehnte weiter aufrecht erhalten werden könnten, hätten wir unseren Planeten so sehr geschädigt, dass das Überleben unseres Ökosystems und damit auch der Menschheit aus anderen Richtungen massiv bedroht würde. Wir sind Teil der Natur. Auch hier gibt es Kipppunkte (sich selbst verstärkende Prozesse).

Die Meere, die 40% unseres Sauerstoffs liefern, können umkippen und stattdessen giftigen Schwefelwasserstoff absondern.

Wenn wir mit der Landwirtschaft so weiter machen, wie bisher, können die Böden der Erde nur noch für etwa 60 Erntejahre ausreichende Erträge liefern. Dann sind sie weltweit komplett degeneriert.

Jeder von uns nimmt jetzt schon jede Woche Mikroplastik im Umfang einer Kreditkarte über die Nahrung auf. Selbst Säuglinge werden über die Muttermilch mit Mikroplastik versorgt.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die nächste Pandemie ausbricht, weil wir immer mehr in die Lebensräume von wilden Tieren eindringen und sie zerstören.

Innerhalb der nächsten zehn Jahre wird Wasserrationierung sogar in Deutschland normal werden. Wir haben die Vorboten in diesem Jahr gesehen. Wir entnehmen permanent mehr Grundwasser, als sich regenerieren kann. Und wir werden in Zukunft noch mehr entnehmen müssen, um weiter Landwirtschaft betreiben zu können. Und auch zukünftige industrielle Prozesse (wie z.B. die Erzeugung von grünem Wasserstoff) benötigen große Mengen Wasser. Dieses Wasser können wir aber schon heute nicht mehr nachhaltig gewinnen. Und in anderen Ländern ist es schon viel schlimmer.

Die oben genannten Zukunftsaussichten basieren auf der Annahme, dass unser Wirtschaftswachstum weiter geht. Etwas anderes ist ja auch nicht denkbar.

Ich möchte noch einmal betonen, dass es immer klar war, dass unser bestehendes, auf unendlichem exponentiellen Wachstum basierende System irgendwann kollabieren muss. Selbst die günstigsten Szenarien, die der Club of Rome berechnet hatte (also die, wo man sich am meisten anstrengt, die negativen Folgen einzufangen und zu kompensieren), haben einen Kollaps bis zum Ende dieses Jahrhunderts prognostiziert.

Wenn man sich aber umschaut, dann sind die Hinweise darauf, dass wir jetzt bereits in die Phase des Zusammenbruchs unserer industriellen Zivilisation eingetreten sind, deutlich zu erkennen.

Wir befinden uns nach wie vor im „Business as usual“-Szenario, das einen baldigen Kollaps unserer Zivilisation voraus sagt … wenn wir nicht sofort grundlegend umsteuern, biblisch gesprochen „umkehren“, was letztlich bedeuten würde, in eine andere Richtung zu gehen und ein anderes Ziel zu verfolgen, als unendliches Wachstum.

das führt mich zum…

Kollaps unseres Wirtschaftssystems

Unsere kapitalistische Wirtschaft ist auf stetiges Wachstum angewiesen. Wenn sie mittel- und langfristig nicht mehr wächst, muss sie kollabieren. Es gibt das Sprichwort: „Wer an unendliches Wachstum auf einem endlichen Planeten glaubt, ist entweder verrückt oder ein Ökonom“. Unsere Wirtschaft basiert aber genau darauf und es gibt keinen „Plan B“. Unsere Wirtschaft muss wachsen bis in alle Ewigkeit, oder … bis alles zusammen bricht. Das ist natürlich auch den Ökonomen eigentlich klar. Sie hoffen aber, dass der Kollaps nicht so schnell kommt und das nicht mehr erleben müssen. Wir werden sehen, dass diese Hoffnung wahrscheinlich enttäuscht werden wird.

Warum die Wirtschaft wachsen muss, möchte ich hier nicht weiter ausführen. Aber das ist der Punkt in diesem Text, der am wenigsten umstritten ist. Alle Parteien im Bundestag, alle Regierungen von Industrienationen wissen das und handeln entsprechend. Rezession (also eine fortgesetzte Schrumpfung der Wirtschaft) ist das Schreckensszenario, das unter allem Umständen vermieden werden muss.

Ernährt von unserer billigen fossilen Energie wächst auch die Weltbevölkerung immer noch. Um also nur den Status quo zu halten, muss die Weltwirtschaft im gleichen Maße wachsen und mehr fossile Energie und Rohstoffe fördern. Das reicht aber nicht. Die Weltwirtschaft muss stärker wachsen als die Bevölkerung. Jedes Jahr mehr als im Jahr zuvor! Das ist exponentielles Wachstum und was das bedeutet, haben wir dank Corona mittlerweile gut verstanden.

Peak-everything

Wir verdoppeln unseren Ressourcenverbrauch etwa alle 20 bis 30 Jahre. Die Grenzen des Wachstums sind bei fossilen Energien etwa erreicht (der sogenannte „Peak-Oil“). Bei konventionellen Öl war es bereits um das Jahr 2000 herum. Es sieht so aus, dass bei Fracking-Öl und bei Erdgas auch vor kurzem das Fördermaximum erreicht wurde und auch Kohleförderung kann nicht mehr lange gesteigert werden. Bei anderen wichtigen Rohstoffen, wie z.B. Kupfer, Phosphor und Seltenen Erden und sogar Sand gibt es ebenfalls Knappheit.

Das liegt nicht daran, dass es unter der Erdoberfläche keine weiteren Ressourcen mehr gäbe. Es wird nur zunehmend teurer, sie zu fördern. Die leicht und billig förderbaren Quellen, die sogenannten „Sweetspots“ sind erschöpft. Wenn Energie oder Rohstoffe zu teuer werden, gibt es irgendwann keine Abnehmer mehr dafür. Wir sehen es gerade beim Gas- und Strompreis und den Konsequenzen für die Wirtschaft. Dann müssen Unternehmen schließen, weil die Produkte, die sie herstellen, so teuer werden, dass sie keine Abnehmer mehr finden. Der Preis des Rohstoffs wird dadurch weniger nachgefragt werden und tendenziell wieder sinken. Dann ist aber aber zu niedrig, so dass es sich nicht lohnt, neue Förderquellen zu erschließen, was die Verknappung weiter erhöht und den Preis treibt. Man kann dann beobachten, dass der Preis der Rohstoffe anfängt, stärker zu schwanken, wie das in den letzten Jahrzehnten zunehmend der Fall ist.

Es sieht also so aus, als dass wir in vielen Bereichen diesen Punkt erreicht haben, wo Energie und andere Rohstoffe effektiv knapp werden. Wenn sich die Menge an billiger Energie nicht mehr steigern lässt, kann es kein Wirtschaftswachstum mehr geben und wir kommen sehr schnell in eine Abwärtsspirale, die wesentlich schneller nach unten geht, als zuvor der Aufstieg.

Standardlauf des Weltmodells (Business as usual) des Club of Rome aus der ersten Ausgabe des Werks Die Grenzen des Wachstums von 1972.
Standardlauf des Weltmodells (Business as usual) des Club of Rome aus der ersten Ausgabe des Werks Die Grenzen des Wachstums von 1972. Quelle: Quark48, de.wikipedia.org/w/index.php?curid=10121037

Dieser Prozess ist innerhalb der Welt natürlich nicht gleich verteilt und die Wirtschaft wird nicht gleichzeitig abstürzen, aber in unserer globalen Wirtschaft hängt alles miteinander zusammen und zieht sich gegenseitig nach unten.

Keine guten Aussichten

Das mag für das Klima und das Ökosystem eine gute Nachricht sein. Für uns Menschen wäre ein unkontrollierter Absturz aber verheerend. Unsere Zivilisation ist vollständig abhängig von billiger Energie und allem was man damit machen kann: Landwirtschaft, Transport, medizinische Versorgung, Bildung, Rente.

Das Überleben großer Teile der Menschheit wäre also auch im Fall eines globalen Wirtschaftskollapses bedroht: weltweite Hungersnöte Fluchtbewegungen von hunderten Millionen Menschen. Ausbreitung von Seuchen. Und über die vielen technologischen Altlasten, wie Atomkraftwerke und Chemiekalien, die eine energieintensive und hochqualifizierte, teuere Betreuung, z.T. über Jahrhunderte benötigen, möchte ich jetzt gar nicht weiter sprechen.

Natürlich werden sich die Menschen nicht einfach ihrem Schicksal fügen. Es würde unvorstellbare Fluchtbewegungen geben und es würde immer mehr Kriege geben, um sich den Zugriff auf Rohstoffe oder Wasser zu sichern und/oder um Unruhen im Innern zu befrieden, in dem man die Aufmerksamkeit auf die vermeindliche Bedrohung durch einen äußeren Feind lenkt.

Die Entscheidung der Bundesregierung, mehr Geld in die Aufrüstung unserer Armee zu stecken, als in eine ökologische Transformation ist daher aus einer gewissen Perspektive sehr weitsichtig und folgerichtig.

Sehr wahrscheinlich liefern diese Entwicklungen auch den Nährboden für rechte und faschistische Parteien.

Das sind keine guten Aussichten … wenn wir so weiter machen, wie bisher. Wollen wir wirklich unsere Hoffnung in eine Denk- und Wirtschaftsweise investieren, die uns in diese Misere hinein geführt hat und in die Aufrüstung von Nato und Bundeswehr?

Als gläubiger Mensch sehe ich hier den Punkt gekommen, wo wir kollektiv umkehren müssen. Nicht in erster Linie als Individuum, sondern als „Volk“, als Weltgemeinschaft. Ist unsere maßlose Art zu wirtschaften und zu leben wirklich alternativlos? Ist etwas, an das man so sehr glaubt und festhält nicht eine Art Gott – ein Götze? Versuchen wir damit nicht eigentlich doch gleichzeit „Gott und dem Mammon zu dienen“?

Ich bin bei der Beschäftigung mit dem Thema auf eine Predigt von Pfarrer Peter Aschoff aus Nürnberg im Sonntagsblatt gestoßen, dessen Gedanken ich ans Ende dieser Einführung in den Klima- und Ressourcen-Kollaps stellen möchte:

Wo bleibt in all der Düsternis bloß das Evangelium, die frohe Botschaft?

Peter Aschoff erinnert an das 14. Kapitel des Propheten Jeremia, wo es unter anderem um eine schreckliche Dürre geht: Die Brunnen sind trocken gefallen, die Tiere sterben, nichts wächst mehr. Auf die Dürre folgen Hunger und Krieg. Die Menschen flehen zu Gott: „Unsre Sünden klagen uns an. Doch um deines Namens willen handle, o Herr! Ja, zahlreich sind unsre Vergehen; gegen dich haben wir gesündigt.“

Aschoff meint dazu:

Eigentlich möchten sie gern weitermachen wie bisher. Aber Gott hat das ewige Ausputzer-Dasein satt. Dieses ungute Muster, das sich in die Beziehung zwischen Gott und seinem Volk eingeschlichen hat, muss unterbrochen werden. Ein ums andere Mal ist sind die Judäer den Götzen der Wohlstandsreligion auf dem Leim gegangen. Schwamm drüber hilft da nicht mehr weiter.

Gott sagt dann auch zu Jeremia: „Bete nicht um das Wohlergehen dieses Volkes“. Was folgte, war das Ende einer Epoche: Das Königtum, die Dynastie Davids, seine stolze Hauptstadt, der prächtige Tempel gehen unter. Gott hat in dieser Erzählung nicht eingegriffen, kein Wunder bewirkt, sein Volk nicht gerettet.

Aschoff deutet das so:

Wie ist das mit uns? Sollten wir heute in unseren Kirchen für die Bewahrung vor dem Klimakollaps beten? Sollten wir Gott dazu bewegen, wundersam den kosmischen Thermostat herunterzudrehen, damit alles so weitergehen kann – die Profite, das Plündern des Planeten, die Billigflüge fürs Volk und die Privatjets der Eliten?

Aber wo bleibt in all der Düsternis bloß das Evangelium, die frohe Botschaft? Ist Kirche nicht dazu da, Hoffnung zu verbreiten?

Im Prinzip ja. Aber…

… manchmal ist eine falsche Hoffnung schlimmer als keine Hoffnung. Und oft führt der Weg zu neuer Hoffnung erst durch die Verzweiflung: Die Verzweiflung des babylonischen Exils, durch die die Zeitgenossen des Jeremia hindurch müssen. Die Trauer um einen geliebten Menschen. Verzweiflung wegen einer niederschmetternden ärztlichen Diagnose. Der Makel des Scheiterns. Die Verzweiflung durch die Jesus von Nazareth hindurchgeht im Kreuzestod, im dunklen Grab. Mitten durch die Tragödie, nicht daran vorbei oder leicht und locker darüber hinweg.

Klimaaktivist*innen haben in den letzten Jahren hitzig darüber debattiert, ob man öffentlich sagen sollte, dass wir die Kurve vielleicht nicht mehr rechtzeitig kriegen und dass die Mehrzahl der Kipppunkte inzwischen schon überschritten sein könnte. Die einen fürchten, dass das auch noch die letzten zarten Bemühungen erstickt, das Schlimmste noch zu verhindern. Andere plädieren für eine „radikale Hoffnung“, die dem Realitätsschock nicht ausweicht. Freilich – die Hoffnung aufzugeben, dass alles wird, „wie es früher einmal war“, erfordert einen inneren Wachstumsschritt. Doch nur so entsteht Raum für neue Hoffnung. Sie lässt sich nicht aus dem Hut zaubern, sie muss wachsen.

Genau das erleben Jeremia und sein Volk. Aus dem Königreich Juda wird im babylonischen Exil das Judentum. Eine geistlich und theologisch enorm produktive Zeit beginnt. Schriften werden verfasst und gesammelt, aus denen allmählich die Bibel entsteht. Jüdische Gemeinschaften breiten sich in den folgenden Jahrhunderten über den gesamten Mittelmeerraum und vorderen Orient aus.

Radikale Hoffnung im Anthropozän; Ich finde sie, wenn ich mich an Jesus halte, den Gekreuzigten. Dann muss ich die Augen vor dem unvermeidlichen Ende der stabilen Welt nicht mehr verschließen. Und kann meinen Anteil daran anerkennen, egal wie klein oder groß. Vieles wird schwerer werden, manches viel schwerer. Ich kann lernen, mit Gott zusammen zu weinen über die Tragödien, die sich auf der Erde abspielen. Darin ist er mir nahe, genauso wie in den schönen Erfahrungen. Und das Mitempfinden bringt mich in eine tiefere Beziehung zu seiner Schöpfung: Sie ist so viel mehr das Rohstofflager und die Freizeitkulisse, die unsere moderne Welt daraus gemacht hat. Voller lebendiger und fühlender Wesen ist sie – allesamt Leidensgenossen, aber auch Verbündete.

Für Kirchen und Gemeinden könnte es bedeuten, dass wir einander fragen: Was ist uns wirklich wichtig und wie können wir das durch den Umbruch hindurch bewahren? Was müssen wir jetzt aufgeben, damit die Tragödie, die auf uns zukommt, nicht noch größer wird? Welche Fertigkeiten, die wir dann brauchen, haben wir verlernt, und wer bringt uns das wieder bei? Mit wem sollten wir uns angesichts unserer Sterblichkeit und Endlichkeit aussöhnen und Frieden schließen?

Hand in Hand bilden wir dann eine Rettungsgasse zwischen der Apathie auf der einen und der Panik auf der anderen Seite. Und die sanfte, schöpferische Hand Gottes ist immer im Spiel. Damit die Dunkelheit nicht das letzte Wort hat.

erschienen: 14.10.2022 (zuletzt bearbeitet: 21.06.2023)
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