Christliche Kollaps Initiative
Christ:innen sollten im Zeitalter multipler Krisen einen Beitrag für den Aufbau solidarischer resilienter Nachbarschaftsnetzwerke leisten.
Erschienen: 11.02.2025 (zuletzt bearbeitet: 16.02.2025)
Hier gibt es eine kurze Zusammenfassung dieses Textes...
Wir leben in einer Zeit multipler Krisen. Immer mehr Menschen aus sozialen und Umweltbewegungen erkennen, dass wir uns bereits mitten in der Klimakatastrophe und einem ökologischen Kollaps befinden und die Dynamik nicht mehr aufhalten können. Die soziale Ungleichheit und der CO₂-Gehalt in der Luft steigen weiter an, Ressourcen werden knapp, Wetterextreme nehmen zu, und immer größere Teile der Erde werden unbewohnbar. Statt solidarische Lösungen zu suchen, gewinnen rechte Parteien, Militarisierung und Abgrenzung zunehmend an Zustimmung.
Seit etwa einem Jahr engagiere ich mich in der entstehenden „Just Collapse“-Bewegung. Hier organisieren sich Menschen aus der Klimabewegung, die nach Wegen suchen, dem absehbaren Niedergang durch den Aufbau solidarischer und resilienter lokaler Strukturen zu begegnen. Dabei ist mir aufgefallen: Obwohl Werte wie Gerechtigkeit, Gewaltfreiheit und Fürsorge zentrale Rollen spielen, sind christliche Gruppen und Kirchengemeinden dort kaum vertreten. Das erstaunt, denn in Krisenzeiten waren christliche Gemeinschaften historisch häufig wichtige Orte für solidarisches Handeln und soziale Resilienz.
Die christlichen Kirchen haben in den vergangenen Jahrzehnten stark an Glaubwürdigkeit und gesellschaftlicher Relevanz verloren. Die Mitgliederzahlen sinken stetig. Viele der verbleibenden aktiven Gemeindemitglieder sind – wie die meisten Menschen – einerseits durch Vereinzelung und privaten Stress belastet und leben andererseits (noch) relativ gut sozial abgesichert. Dadurch gab es bislang wenig Anlass oder Raum, ein alternatives Modell zum bestehenden System zu suchen und sich zu organisieren.
Das vielfältige christliche soziale und gesellschaftliche Engagement war bisher darauf ausgerichtet, das bestehende System zu stabilisieren. Nöte werden wahrgenommen und durch christliche Angebote aufgefangen, mit dem Ziel, ein gutes (bürgerliches) Leben für alle zu ermöglichen. Doch angesichts der zunehmenden Instabilität gerät dieses Engagement unter Druck: Nachwuchsmangel, finanzielle Schwierigkeiten und eine teilweise Öffnung für rechte Narrative sind sichtbare Symptome.
Eine Akzeptanz des kommenden Niedergangs könnte hier neue Perspektiven eröffnen. Sie würde den Blick von der Bewahrung eines scheiternden Systems hin zum Aufbau neuer resilienter Gemeinschaften lenken. Paradoxerweise könnte dieser Perspektivwechsel sinnstiftender und motivierender wirken als das Festhalten an überkommenen Strukturen, bei dem man zunehmend zwischen äußeren Sachzwängen und den eigenen Werten aufgerieben wird.
Ich frage mich, ob die sich abzeichnenden globalen Krisen auch eine Chance für einen neuen christlichen Aufbruch bieten könnten? Denn die Werte und Traditionen des Christentums sind genau das, was wir jetzt brauchen – von den Idealen der Urgemeinde bis hin zur diakonischen Arbeit heute.
Denn immer mehr Menschen sind besorgt, verzweifelt oder schlichtweg traurig: Sie fürchten Klimakatastrophen, Kriege sowie wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenbrüche Begriffe wie Klimaangst (englisch: climate anxiety), Klimatrauer (climate grief) und Umweltdisstress (eco-distress) beschreiben das Phänomen, aufgrund akuter oder voraussichtlicher Klimafolgen psychische und psychosomatische Belastungserscheinungen oder starke Emotionen zu erfahren, die das persönliche Leben zwischenzeitlich oder dauerhaft einschränken können.
Seelsorge zählt zu den zentralen Aufgaben der Kirche. In diesem Bereich erfüllt sie nach wie vor eine wichtige Funktion und bietet Menschen Halt – auch jenen, die die dramatische Lage unserer Zeit nicht länger verdrängen können.
Die beste Hilfe in einer scheinbar ausweglosen Situation besteht darin, Menschen Möglichkeiten zur Erfahrung von Selbstwirksamkeit zu eröffnen und Gemeinschaft zu stiften, die von gegenseitigem Verständnis getragen ist. Die christliche Tradition bietet hierfür einen passenden weltanschaulichen Rahmen, in dem „kollapsbewusste“ Menschen Heimat und Sinn finden können. Daraus könnte sich möglicherweise eine neue christliche Bewegung entwickeln, die sich angesichts der zunehmenden Krisen wieder stärker an den Worten Jesu und der Praxis der Urkirche orientiert.
Wir bewegen uns auf gesellschaftliche Bedingungen zu, die denen der Urkirche ähneln – einer Gemeinschaft, die unter widrigen Umständen Resilienz entwickelte und sogar wachsen konnte. Trotz staatlicher Repression, sozialer Isolation und wirtschaftlicher Benachteiligung schufen die ersten Christ:innen eine alternative Subkultur, die auf Solidarität, gegenseitiger Fürsorge und radikaler Nächstenliebe beruhte. Dieses Netzwerk aus Hausgemeinschaften und geteilten Ressourcen bot nicht nur individuelle Sicherheit, sondern beeinflusste langfristig die kulturellen und sozialen Strukturen des römischen Reiches.
In einer Welt, die zunehmend von Krisen und Umbrüchen geprägt ist, könnten diese Erfahrungen als inspirierendes Vorbild dienen, um neue Formen resilienter Gemeinschaften zu schaffen, gesellschaftlichen Wandel zu ermöglichen und Würde und Menschlichkeit zu bewahren.
Christliche Werte
In einer Welt, die von Krisen und Unsicherheit geprägt ist, bietet die christliche Ethik wertvolle Leitlinien für solidarisches Handeln und resilientes Leben:
- Gerechtigkeit und Solidarität: Das Teilen von Ressourcen und die Unterstützung Schwächerer sind zentrale Elemente christlicher Nächstenliebe und der biblischen Gerechtigkeitsvorstellung. Die Praxis der Urgemeinde, in der „alle alles gemeinsam hatten“ (Apg 2,44), kann als Inspiration für heutige Netzwerke dienen.
- Gewaltfreiheit: In einer Zeit zunehmender sozialer Spannungen erinnert die Bergpredigt daran, Konflikte ohne Gewalt zu lösen und aktiv Frieden zu stiften („Selig sind die Friedensstifter“, Mt 5,9). Diese Haltung bietet eine dringend nötige Alternative zu Eskalation und Polarisierung.
- Demut: Die biblische Betonung von Demut und Einfachheit bietet eine ethische Grundlage für suffizientes Leben im Einklang mit den ökologischen Grenzen des Planeten.
- Systemkritik: Jesu radikale Kritik am „Mammon“ fordert uns auf, wirtschaftliche Machtverhältnisse zu hinterfragen und den Fokus auf Gemeinschaft anstelle von Kapitalakkumulation zu legen. Das Teilen von Besitz ist eine Möglichkeit, soziale Ungerechtigkeiten zu verringern.
Erfahrungen aus der Geschichte
Die Geschichte christlicher Bewegungen zeigt zahlreiche Beispiele, wie Glaubensgemeinschaften in Zeiten von Krisen und Umbrüchen resilient und kreativ reagiert haben:
Urgemeinde
Die ersten Christ:innen lebten in einer feindlichen Umwelt und entwickelten ein solidarisches Gemeinschaftsmodell. Ihre Praxis der Gütergemeinschaft und gegenseitigen Unterstützung schuf ein widerstandsfähiges soziales Netz. Dies zeigt, dass gemeinschaftliches Leben und Teilen auch unter widrigen Bedingungen möglich sind.
Monastische Bewegung
Klöster waren über Jahrhunderte Orte der Bildung, Landwirtschaft und medizinischen Versorgung. Sie boten Zuflucht in Krisenzeiten und zeigten, wie stabile Gemeinschaften auch ohne kapitalistische Strukturen funktionieren können. Sie könnten heute als Vorbild für nachhaltige Gemeinschaften dienen.
Christlicher Widerstand im 2. Weltkrieg
Der christliche Widerstand gegen das NS-Regime zeigt, wie Glaubensüberzeugungen Menschen zu entschlossenem Handeln motivierten. Prominente Beispiele sind der lutherische Theologe Dietrich Bonhoeffer oder die Jesuiten Alfred Delp und Rupert Mayer. Aber auch einfache Christ:innen zeigten Zivilcourage, indem sie beispielsweise Juden versteckten oder die Kooperation mit dem Regime auf vielfältige Weise verweigerten und dadurch ihr eigenes Leben riskierten.
Ihr christlicher Glaube war ihnen nicht nur Trost in dunklen Zeiten, sondern auch eine Quelle für Widerstand, Zivilcourage und moralischer Klarheit.
Radikale Gemeinschaften des Glaubens: Hutterer und die Amischen
Die Hutterer und Amischen leben seit Jahrhunderten in intentionalen Glaubensgemeinschaften, die auf gegenseitiger Hilfe und genossenschaftlicher Organisation beruhen. Ihr Lebensstil ist geprägt von Einfachheit, Subsistenzwirtschaft und einem bewussten Verzicht auf viele moderne Technologien. Dies ermöglicht ihnen eine weitgehende Unabhängigkeit vom Marktgeschehen und eine besondere Resilienz gegenüber Krisen.
Ihr Wissen über nachhaltige Landwirtschaft, handwerkliche Fertigkeiten, Lowtech und Selbstversorgung macht sie zu Vorbildern für Suffizienzstrategien in einer Zivilisation im Niedergang. Auch ihre sozialen Strukturen, die auf Vertrauen und gemeinschaftlicher Verantwortung beruhen, bieten Anregungen für den Aufbau lokaler resilienter Netzwerke. Trotz der kulturellen und theologischen Unterschiede könnten ihre Praktiken ein Modell für Menschen bieten, die angesichts zukünftiger Herausforderungen nach einem solidarischen und ressourcenschonenden Lebensstil suchen.
Christliche Opposition in der DDR
In der DDR waren christliche Gruppen bedeutende Akteure im gewaltfreien Widerstand gegen das totalitäre Regime. In einer atheistisch geprägten Diktatur boten sie Schutzräume für Andersdenkende, politische Diskurse und unabhängige Kulturveranstaltungen. Die Kirchen wurden zu wichtigen Treffpunkten für Menschen, die sich dem staatlichen Konformitätsdruck entziehen wollten.
Besonders in den 1980er Jahren spielten christliche Gemeinden eine Schlüsselrolle bei der Entstehung der Friedensbewegung. Veranstaltungen wie die Friedensgebete in Leipzig, organisiert von der Nikolaikirche, wurden zu Keimzellen der Bürgerrechtsbewegung. Diese Gebete boten eine Plattform für Kritik am System und waren der Ausgangspunkt für die Montagsdemonstrationen, die schließlich zum Zusammenbruch der DDR beitrugen.
Dieses Beispiel zeigt, wie christlicher Glaube zu einer wichtigen Quelle für Mut, Zusammenhalt und zivilgesellschaftliches Engagement werden kann – selbst in repressiven politischen Systemen.
Konziliarer Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung
Christliche Gemeinschaften waren maßgeblich an globalen Bewegungen beteiligt, die sich für soziale Gerechtigkeit, Frieden und den Schutz der Umwelt einsetzten. Der Konziliare Prozess, der in den 1980er Jahren auf Initiative des Ökumenischen Rates der Kirchen ins Leben gerufen wurde, vereinte Christ:innen weltweit im Engagement gegen Krieg, soziale Ungleichheit und Umweltzerstörung. Dieses breite Netzwerk von Kirchen und Aktivisten zeigt, wie christliche Werte zur Förderung globaler Solidarität und nachhaltiger Transformation beitragen können – ein Erbe, das in der heutigen Zeit angesichts von Klimakrisen und gesellschaftlichen Herausforderungen aktueller denn je ist.
Befreiungstheologie
In Lateinamerika entstanden aus dem Geist der Befreiungstheologie zahlreiche Basisgemeinden, die sich gegen soziale Ungerechtigkeit und wirtschaftliche Ausbeutung engagierten. Diese Gemeinschaften organisierten Lebensmittelkooperativen, Bildungsprogramme und rechtliche Unterstützung für benachteiligte Gruppen. Inspiriert durch das Evangelium und das biblische Streben nach Gerechtigkeit boten sie Alternativen zu ausbeuterischen Strukturen. Auch heute sind ihre Modelle ein Vorbild für solidarische Gemeinschaften, die inmitten von Krisen soziale Resilienz schaffen.
Verfolgte Christ:innen heute
In vielen Ländern dieser Welt, wie z. B. Nigeria, Nordkorea und Teilen des Nahen Ostens sind Christ:innen Diskriminierung, Gewalt und Verfolgung ausgesetzt. Trotz dieser Bedrängnisse schaffen sie oft erstaunlich belastbare Netzwerke. Verborgene Hauskirchen organisieren sich mit minimalen Mitteln und bieten geistliche wie soziale Unterstützung. In Regionen mit wirtschaftlichem Zusammenbruch, etwa in Syrien oder Venezuela, sind christliche Gruppen zudem wichtige Akteure bei der Versorgung Bedürftiger mit Nahrung, Medikamenten und psychosozialem Beistand. Ihre Erfahrungen zeigen, wie Gemeinschaft und Glaube auch unter extremen Bedingungen Halt und Handlungsspielraum bieten können.
Papst Franziskus
Papst Franziskus ruft angesichts der globalen Krisen zu einem radikalen Umdenken und Handeln auf. In seiner Enzyklika Laudato si' mahnt er, Verantwortung für die Schöpfung zu übernehmen und den „Schrei der Armen und der Erde“ zu hören. Dabei betont er, dass jede Christin und jeder Christ durch konkrete Schritte zu einem gerechteren und nachhaltigeren Leben beitragen kann. Franziskus ermutigt zu gemeinschaftlichen Initiativen: Stadtgärten, solidarische Landwirtschaftsprojekte und gemeinschaftliche Formen des Wohnens und Wirtschaftens sieht er als Ausdruck gelebter Nächstenliebe. Sein Appell richtet sich gegen Wegwerfmentalität und Konsumismus – und fordert stattdessen den Aufbau von Netzwerken, die auf Teilen und Fürsorge basieren.
Ressourcen heute
Auf welche Ressourcen und Netzwerke können wir zurückgreifen?
Noch hat die christliche Tradition in Teilen der Gesellschaft ein positives Image, und es gibt in allen Bevölkerungsgruppen Menschen, die sich mit den christlichen Werten identifizieren und bereit sind, sich zu engagieren. Wenn man ein anschlussfähiges Narrativ findet, lassen sich aus diesen Kreisen Menschen für das Thema "Kollapsresilienz" mobilisieren. Die Schwelle für Engagement ist niedriger, wenn es im Kontext vertrauter Strukturen stattfindet.
Seelsorge
Immer mehr Menschen leiden unter "Klimaangst", Ohnmachtsgefühlen und einer diffusen Zukunftsangst angesichts der globalen Krisen. Seelsorge ist eine Kernkompetenz der Kirche, die diesen Ängsten etwas entgegensetzen kann. Sie bietet Raum für Gespräche, spirituelle Begleitung und die Vermittlung von Hoffnung. Durch die Förderung gemeinschaftlicher Aktivitäten, die Selbstwirksamkeit erfahrbar machen, könnte die Seelsorge noch stärker zu einem Instrument praktischer Resilienz werden.
Spirituelle Praxis
Eine vertiefte spirituelle Praxis stärkt die innere Resilienz und fördert die Fähigkeit, sich der Realität – auch in schwierigen Zeiten – bewusst zu stellen. Spirituelle Menschen entwickeln häufig eine größere Gelassenheit und mentale Stabilität im Umgang mit Krisensituationen. Diese geistige Reife ermöglicht es ihnen, auf das Kollapsgeschehen nicht mit Verdrängung reagieren zu müssen, sondern konstruktiv damit umgehen zu können. Sie sind oft Vorbilder für Hoffnung, Mut und Orientierung und können in solidarischen Kollaps-Netzwerken Schlüsselrollen übernehmen – sei es durch seelsorgerliche Begleitung, die Leitung von Gemeinschaftsprojekten oder der Mediation zwischen unterschiedlichen Perspektiven innerhalb der Gesellschaft.
Eine gemeinsame spirituelle Praxis kann zudem Gemeinschaft und Solidarität fördern, indem sie einen Raum für Reflexion und gegenseitige Ermutigung schaffen. Dies stärkt die Basis für nachhaltige und engagierte Resilienzbewegungen.
Bibel-Teilen und Politisches Nachtgebet
In den 1970er Jahren entstand in Südafrika das sogenannte Bibel-Teilen. Menschen aus der Nachbarschaft trafen sich in kleinen christlichen Gemeinschaften, lasen die Bibel und besprachen die Aufgaben, die in ihrer Nachbarschaft anstanden. Sie entwickelten dafür sieben Schritte. Der erste und letzte Schritt ist ein Gebet. Der zweite bis fünfte Schritt ist ein gemeinsames Betrachten eines biblischen Textes. Im sechsten Schritt schauen alle gemeinsam auf die Aufgaben und Herausforderungen der Nachbarschaft, in der sie gemeinsam leben: Welche Aufgaben stehen an, was soll getan werden? Dieser sechste Schritt schaut auf die Gestaltung und Regelung des menschlichen Gemeinwesens Nachbarschaft. Er ist eingebettet in spirituelle Übungen: Bibel lesen und beten.
Eine ähnliche Verbindung hat sich in der befreiungstheologischen Bibelauslegung in Lateinamerika entwickelt. Im Dreischritt Sehen – Urteilen – Handeln wird die Lebenswirklichkeit wahrgenommen, von biblischen Texten her beurteilt und daraufhin gehandelt, so dass eine neue befreite Lebenswirklichkeit entsteht.
1968 entstand in Deutschland in einem ökumenischen Arbeitskreis das Konzept des politischen Nachtgebets. Zu den Initiator:innen gehörten die Theologin Dorothee Sölle, der Theologe Fulbert Steffensky und der Schriftsteller Heinrich Böll. Neben politischer Information waren biblische Texte in Verbindung mit Predigt, Meditation oder Diskussion Teile eines Gottesdienstes. Einflussreich waren unter anderem Gedanken von Dorothee Sölle, für die theologisches Nachdenken ohne politische Konsequenzen an Heuchelei grenzte.
Christliche Friedensbewegung
Netzwerke wie pax christi, Church and Peace sowie Initiativen wie die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste und EIRENE stehen für das Engagement christlicher Gruppen in der Friedensarbeit. Sie setzen sich für gewaltfreie Konfliktlösungen, Versöhnung und Friedensbildung ein. Ihre langjährige Erfahrung umfasst Mediation, Schulungen in gewaltfreier Kommunikation und ziviler Konfliktbearbeitung – wertvolle Fähigkeiten, die in resiliente und solidarische Gemeinschaften einfließen können.
In Krisenzeiten bietet die christliche Friedensbewegung inspirierende Vorbilder für praktische Solidarität, die gesellschaftliche Gräben überwindet. Sie zeigt, dass Frieden nicht nur global, sondern auch lokal aktiv gestaltet werden kann – sei es durch nachbarschaftliche Vermittlungsarbeit oder durch den Aufbau von Kooperationen und unterstützenden Netzwerken. Die Betonung von Dialog und gegenseitigem Respekt schafft Modelle für ein konstruktives Zusammenleben selbst unter schwierigen Bedingungen.
Christliche Klimaschutzgruppen
Gruppen wie Christians for Future und Christian Climate Action verbinden den christlichen Glauben mit dem Engagement für Klimagerechtigkeit. Sie treten für eine suffiziente Lebensweise und Bewahrung der Schöpfung ein. Dabei stellen sie sich der schwierigen Realität, dass die Klimakrise nicht mehr aufgehalten werden kann. Die damit verbundene Trauerarbeit und die notwendige strategische Neuausrichtung erfordern eine geistige und emotionale Stärke, die bei spirituell reifen Menschen u. U. eher zu finden ist.
Als Brückenbauerinnen zwischen kirchlichen und aktivistischen Kontexten schaffen diese Gruppen Begegnungsräume, in denen Menschen unterschiedlicher Herkunft ihre Ängste und Hoffnungen teilen können. Sie können Plattformen für Gespräche über nachhaltige Lebensweisen und ethisches Handeln angesichts der Klimakrise bieten.
Durch ihre Kontakte zu kirchlichen Netzwerken mit bewährten diakonischen und solidarischen Strukturen eröffnen sich Chancen, das Thema „solidarische Kollapsresilienz“ gezielt einzubringen. Dies könnte die Entstehung neuer Bündnisse und innovativer Projekte fördern, die sowohl spirituelle als auch praktische Unterstützung in Krisenzeiten bieten.
Flüchtlingsarbeit
Diakonische Basisgemeinschaften wie "Brot und Rosen", kirchliche Flüchtlingsinitiativen und ökumenische Netzwerke haben gezeigt, wie solidarische Unterstützung für Geflüchtete organisiert werden kann. Sie bieten Begleitung in rechtlichen Angelegenheiten, psychosoziale Unterstützung und Integrationsangebote wie Sprachkurse und Freizeitaktivitäten.
Diese bestehenden Netzwerke sind wertvolle Ressourcen für kollapsresiliente Strukturen, da sie organisatorische und logistische Kompetenzen im Umgang mit humanitären Krisen bereitstellen. Zudem zeigen sie, wie Gemeinschaften trotz begrenzter Ressourcen durch praktische Solidarität zusammenwachsen können.
Tafeln, Freiwilligenbörsen, ehrenamtliches soziales Engagement
Tafeln und vergleichbare Initiativen, die überschüssige Lebensmittel an Bedürftige verteilen, sind ein Beispiel für die sinnvolle Umverteilung knapper Ressourcen. Sie zeigen, wie bürgerschaftliches Engagement dazu beitragen kann, soziale Ungleichheit abzufedern.
Freiwilligenbörsen und ehrenamtliche Plattformen vermitteln Helfer:innen für vielfältige Tätigkeiten, vom Reparieren defekter Geräte über Nachbarschaftshilfe bis zur Unterstützung bei Gemeindeveranstaltungen. Diese Netzwerke könnten gezielt gestärkt werden, um in Krisenzeiten als flexible Ressourcenpools zu fungieren und gezielt Hilfe dorthin zu lenken, wo sie am dringendsten benötigt wird.
Kirchen, Gemeindehäuser, Grundstücke
Kirchliche Gebäude und Grundstücke sind wertvolle Infrastrukturen, die in Krisenzeiten eine wichtige Rolle spielen können. Sie bieten nicht nur Raum für spirituelle Gemeinschaft, sondern auch praktische Nutzungsmöglichkeiten:
- Notunterkünfte: Gemeindehäuser und Kirchen könnten kurzfristig zu Schutzräumen für Menschen in Notsituationen umfunktioniert werden.
- Bildungsangebote: Schulungen zu Krisen- und Gewaltprävention, handwerklichen Fertigkeiten und dem Aufbau von solidarischen Nachbarschaftsnetzwerken könnten in kirchlichen Räumen stattfinden.
- Veranstaltungsorte: Kirchen und Gemeindehäuser sind ideale Treffpunkte für Versammlungen und Netzwerktreffen, die den Austausch zwischen unterschiedlichen Gruppen ermöglichen.
Durch eine stärkere Öffnung für gemeinschaftliche Projekte und Kooperationen mit zivilgesellschaftlichen Initiativen könnten diese Orte zu wichtigen Knotenpunkten für Resilienz und Solidarität in Krisenzeiten werden.
Klöster und andere christliche Gemeinschaften
In klösterlichen Gemeinschaften sind nicht nur spirituelles Wissen bewahrt, sondern auch handwerkliche und landwirtschaftliche Fähigkeiten, die in Zeiten sozialer und ökologischer Krisen von unschätzbarem Wert sein können. Klöster verfügen über jahrhundertealte Erfahrungen im gemeinschaftlichen Leben und autarker Versorgungssysteme. Heute sind viele klösterliche Gemeinschaften überaltert blicken in eine ungewisse Zukunft. Aber in einer Zeit, in der Resilienz und Suffizienz an Bedeutung gewinnen, könnten Klöster erneut eine wichtige Rolle spielen: Sie bieten Raum für Bildung in nachhaltigen Lebenspraktiken, für spirituelle Orientierung und für das Erlernen solidarischer Gemeinschaftsformen. Ihre Tradition der Gastfreundschaft macht sie potenziell auch zu Rückzugsorten für Menschen, die in Krisenzeiten Schutz und Gemeinschaft suchen. Durch Kooperationen mit Bewegungen, die an einer solidarischen Transformation der Gesellschaft arbeiten, könnten Klöster zu Impulsgebern für eine neue christlich inspirierte solidarische Kollapsinitiative werden.
Es ist daher aus meiner Sicht mehr als naheliegend, aus dem christlichen Friedens- und Klimaaktivismus heraus eine christliche Kollapsarbeit aufzubauen, die auf der Grundlage christlicher Werte, Traditionen und bestehender Ressourcen Beiträge für die gerade entstehende globale solidarische Kollapsbewegung liefert.