Meine Prämissen

Von welchen Grundannahmen ich im Blick auf den bevorstehenden Kollaps ausgehe, meine Hoffnungen und Sorgen.

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Das Problem

Unendliches Wachstum auf einem endlichen Planeten ist nicht möglich. Die Ausbeutung fossilier Energieträger hat im Blick auf Ressourcen- und Naturverbrauch, einen „Booster“ gezündet. Zu viele Menschen leben fast ausschließlich von der Substanz unseres Planeten. Wir stehen wahrscheinlich kurz vor einem globalen Kollaps unserer Zivilisation, ausgelöst entweder von der Erschöpfung der Rohstoffe und des Ökosystems oder durch einen Klimakollaps.

Diese Einschätzung ist weder originell noch neu. Sie ist spätestens seit dem Erscheinen von „Die Grenzen des Wachstums“ im Jahr 1972 bekannt. Bislang war die Bemühung, durch Desinformation und Verdrängung zu verhindern, dass wir aus diesem Wissen Konsequenzen ziehen, sehr erfolgreich. Es scheint ein normaler menschlicher Wesenszug zu sein, die eigene Zukunft zu optimistisch einzuschätzen und die eigene Endlichkeit zu verdrängen. Wir haben eigentlich keinen Mangel an Informationen. Dennoch rasen wir ungebremst weiter auf den Abgrund zu. Statt uns der Realität zu stellen, wollen wir an vage Versprechungen glauben, vernünftige Politiker und geniale Erfindungen würden schon dafür sorgen, dass alles nicht so schlimm wird und wir – mit kleinen Anpassungen – so weiter leben können, wie bisher.

Was uns bevorsteht

Wir befinden uns bereits seit etwa der Jahrtausendwende auf der abschüssigen Bahn und es wird voraussichtlich deutlich schneller abwärts gehen, als das Wachstum der vergangenen zwei Jahrhunderte. Der Zusammenbruch unserer industriellen Zivilisation wird (außer bei einem Atomkrieg, der leider nicht auszuschließen ist) kein singuläres Ereignis sein und auch nicht alle Teile der Welt gleichzeitig und in gleichem Maße betreffen. Ich rechne aber damit, dass der Niedergang weltweit insgesamt nur Jahrzehnte dauern wird.

Ich vermute, dass der Energie- und Rohstoffmangel („Peak Oil“, „Peak everything“) die kapitalistische Weltwirtschaft eher kollabieren lässt, als ein endgültig aus dem Gleichgewicht geratenes Klima. Das wäre für das Ökosystem als Ganzes vielleicht eine gute Nachricht, für den größeren Teil der Weltbevölkerung aber nicht. Wir sind zu sehr von der industriellen Versorgung mit den lebensnotwendigen Dingen wie Nahrung, Wasser und Medizin abhängig, als dass eine ausreichend schnelle Transformation hin zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft plausibel erscheint – zumal die ökologischen Rahmenbedingungen immer schwieriger werden. Hunderte Millionen, wenn nicht gar Milliarden Menschen werden vermutlich deutlich früher sterben, als es unter heutigen Bedingungen zu erwarten wäre. Es wird einen erheblichen Rückgang der Weltbevölkerung bis Ende des Jahrhunderts geben. Teils durch Hunger, teils durch Kriege, Bürgerkriege und andere Formen der Gewalt, teils durch mangelnde medizinische Versorgung und Hygiene.

Die Klimaerwärmung lässt sich nicht mehr aufhalten. Das Beste, auf das wir für das Klima hoffen können, ist dass nicht zu viele Kipppunkte irreversibel überschritten werden und die globale Durchschnittstemperatur „nur“ um zwei bis drei Grad steigt, bevor das Auseinanderfallen unserer industriellen Zivilisation dem Anstieg ein Ende setzt.

Worauf ich (noch) hoffen kann

Ich glaube nicht, dass eine sanfte Transformation hin zu einer Lebens- und Wirtschaftsweise, die nachhaltig und global gerecht ist, noch möglich ist. Ich hoffe aber, dass es gelingt, in der chaotischen Phase des Abstiegs Räume für Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Solidarität zu erhalten bzw. zu eröffnen und damit Keimzellen für zukünftige Gesellschafts- und Wirtschaftsformen zu schaffen.

Worauf ich für die Zukunft der Menschheit hoffe:

Eine zukünftige Wirtschaft müsste eine Kreislaufwirtschaft sein. Die Menschen würden nur noch in Ausnahmefällen nicht nachwachsende Rohstoffe abbauen. Was davon bereits in Umlauf ist, würde möglichst lange genutzt, repariert und recycelt werden. Die Menschen werden in der Phase des Abstiegs noch Generationen lang von den Gütern profitieren, die unsere Industriegesellschaft hervorgebracht hat. Das Post-Kollaps-Zeitalter würde eine Blütezeit von Handwerk (im Sinne des Wortes) und cleveren Lowtech-Lösungen sein.

Der größte Teil der Bedürfnisse würde von nachwachsenden Rohstoffen gedeckt. Die Ernährung wäre stärker vegetarisch bzw. vegan geprägt. Tiere würden aber nicht nur als Arbeitstiere gebraucht (die wieder an die Stelle fossiler Maschinen rücken), sondern auch als Lieferanten von Dünger, zur Verwertung von Abfällen aus der Lebensmittelproduktion und zur Verwertung von Grasland. Selbstverständlich werden diese Tiere respektvoll als Mitgeschöpfe behandelt.

Da erneuerbare Energie ein knappes Gut sein wird, würden das meiste wieder mit den Händen gemacht werden. Auch Mobilität würde in erster Linie mit Muskelkraft erfolgen. Es würde keine Arbeitslosigkeit geben, da diese neue, nachhaltige Wirtschaftsweise viel mehr Arbeitskräfte benötigt. Die Arbeit würde geselliger und befriedigender sein und die Menschen glücklicher machen.

Unsere Lebensweise wäre viel einfacher als heute. Es wäre dennoch kein „zurück ins Mittelalter“, da wir das erarbeitete Know-How der letzten Jahrhunderte im Bereich Hygiene, Medizin, Landwirtschaft und Technik weiter nutzen können.

Meine Sorge

Die Klimaanpassung und der Umgang mit Altlasten wie Atom- und Chemiemüll wird die Menschen vor große Herausforderungen stellen. Viele Menschen werden ihre Heimat verlassen müssen. Neben Temperatur- und Meeresspiegelanstieg werden große Landstriche auch wegen industrieller Altlasten oder wegen fehlender Grundwasserreserven und ausgelaugter Böden unbewohnbar sein. Diese Menschen müssten in den Weltregionen, die noch bewohnbar sind, eine neue Heimat finden.

Es steht zu befürchten, dass die Folgen des Zusammenbruchs nicht in Solidarität getragen werden. Stattdessen werden wahrscheinlich Konflikte geschürt und mächtigere Staaten bedienen sich noch dreister auf Kosten der Schwächeren. Ungleichheit könnte weiter wachsen. Es drohen Kriege um die schwindenden Ressourcen bis hin zu Atomkriegen, unvorstellbare Fluchtbewegungen, und gewaltsame Unterdrückung sozialer Bewegungen.

Ich befürchte das Erstarken rechtspopulistischer und faschistischer Parteien und Bewegungen, und die Ausbreitung eines gesellschaftlichen Klimas von Angst, Nationalismus, Abschottung und Egoismus.
Aber: wir dürfen den Kollaps nicht den Rechten überlassen!

Konkrete Schritte

Da ich es für sehr unwahrscheinlich halte, dass wir das Ende unserer industriellen Zivilisation noch verhindern können, ist es wichtig uns vorzubereiten, um in Verbundenheit, Kooperation und Fürsorge diese nie dagewesenen Herausforderungen anzunehmen.

Dazu gehört Information und Aufklärung, die Vernetzung von Gleichgesinnten und der Aufbau lokaler Netzwerke. Und es geht auch darum, sich ganz praktisch vorzubereiten. Man könnte es als „Social Prepping“ (Solidarisches Preppen) bezeichnen: statt Konservendosen im Keller zu horten und sich eine Waffe anzuschaffen, um die Vorräte im Ernstfall verteidigen zu können, sollten wir uns notwendiges Wissen und grundlegende Fertigkeiten aneignen, um auch unter schwierigeren Bedingungen miteinander ein Gemeinwesen zu erhalten und wieder aufzubauen.

Aus der Systemtheorie wissen wir: So lange ein System stabil ist, sind grundlegende Änderungen kaum möglich. Man nennt das “Lock-In-Effekt”. Gerät das System aber in eine chaotische Phase, kann es auch mit viel weniger Energie in neue stabile Zustände gelenkt werden. Wenn wir uns eine bessere, gerechtere Welt wünschen, dann sollten wir vorbereitet sein und bereit stehen, um Einfluss zu nehmen, wenn die Zeit gekommen ist. Dafür reicht es nicht, sich allein theoretisch mit dem Thema zu beschäftigen. Wir brauchen erprobte Konzepte und funktionierende Keimzellen: Netzwerke, Nachbarschaftsgruppen, Gemeinschaften, …

erschienen: 02.09.2022 (zuletzt bearbeitet: 04.05.2023)
#Kollaps #Lowtech #PeakOil #PlanetareGrenzen #SocialPrepping #Utopie
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